Juli

Und dann kam der Juli und mit ihm der Regen. Nie habe ich über so lange Zeit so spektakuläre Wolkenformationen gesehen. Caspar David Friedrich wäre begeistert! Zu jeder Tages- und vermutlich auch Nachtzeit bauschten sich die Wolken zu den höchsten Türmen und gigantischen Gebirgen auf und führten zu erheblicher Verkehrsblindheit, weil alle Leute ständig stehen bleiben mussten, um sie zu betrachten.

 

Der wilde Sommer kehrte langsam auf die Birk zurück. Der Sommer, der abends große Sonnenflecken auf die Marmeladenstraße projizierte und den Mais regelrecht in die Höhe schießen ließ und der schon fast ein wenig nach Spätsommer schmeckt – aber noch nicht ganz!

Nach jedem Regenschauer sah die Welt aus wie neu geschaffen und oft schaute ich dem tiefblauen Himmel dabei zu, wie er sich übers Meer schob und dann irgendwann mit dem Horizont verschmolz.

Dass das unser letzter Monat sein sollte, war eigenartig weit weg und doch ständig präsent und Tommis ständige Erinnerungen in Form von: „Ich will ja nichts sagen, aber die Zeit rennt!“ waren für unsere wehmütigen FÖJi-Herzen definitiv nicht das Richtige!

Die Erinnerung an den Monat ist bereits sehr verblichen, es ist so viel passiert! Außerdem existieren kaum Fotos aus dieser Zeit, weil wir viel zu beschäftigt damit waren zu genießen und zu erleben.

 

Der Juli war ein Strudel aus allem: Besuch folgte auf Besuch, Kleinanzeigen-Verkäufe lösten Minister-Besuche und einzigartige Bauprojekte ab und nebenher liefen die Organisation unserer Abschiedsfeier (mehr) und das Verfassen unseres Abschlussberichtes (weniger) auf Hochtouren.

 

Am Anfang des Monats waren wir hauptsächlich mit kleineren Projekten beschäftigt und verbrachten viel Zeit auf der Birk um Wege zu mulchen und Bänke und Schilder freizustellen. Eine Freundin von mir war für zwei Tage zu Besuch und natürlich durfte auch Birte nicht fehlen!

Während sie da war, machten wir eine Tour mit Üwis Boot und übernachteten im Hafen darauf. In der Nacht konnte ich einen wunderschönen Sternenhimmel bestaunen und wurde am Morgen vom Geschrei der Möwen geweckt.

  

Nachdem langer Planung, einigen Terminfindungsschwierigkeiten und mindestens zwanzig Mal erinnert werden, schafften wir es dann wirklich mal, eine Birk-Tour mit dem Kindergarten zu machen – sowohl mit dem Wald- und Naturkindergarten von Marion und Birgitt, als auch mit der Möwengruppe der Kita Kieholm.

 

Aber wir widmeten uns im Juli nicht nur jungen Menschen, sondern auch sage und schreibe 21 jungen Rotbauchunken, die sich in der Krötenaufzucht aus Laich, den Nils mitgebracht hatte, ganz prächtig entwickelten – zumindest alle bis auf Niko, der etwas mehr Zeit brauchte. Wie die Pflege abläuft haben wir in unseren ersten Blogeinträgen schon berichtet, diesmal hatten wir durch die geringe Anzahl an Unken/Kröten aber deutlich weniger zu tun. Generell war dieses Jahr hier in der Region kein gutes Amphibienjahr und nicht nur bei uns wurde kaum Laich gefunden…

 

Johanna und ich arbeiteten zum ersten Mal mit der Oberfräse (hätten wir die schon früher gekannt, wäre das bestimmt in einem Schilder-fräsen-Rausch gegipfelt) und Johanna verwirklichte ein Projekt, das schon länger in Planung war: Es sollte am NSG-Eingangstor von Falshöft ein richtiger Eingang gebaut werden, sodass alle, die das Tor passieren unter dem Schild ‚Naturschutzgebiet Geltinger Birk‘ hindurchgehen und niemand mehr sagen kann: ‚Ich bin in einem NATURSCHUTZGEBIET? Das wusste ich ja gar nicht!‘… Von dem Projekt hört ihr aber auf jeden Fall nochmal im August!

 

Die Pferdeführungen gingen auch wieder los und waren sehr gut besucht. Ich mag es, wenn sich Menschen ernsthaft und tiefgründig für die Koniks interessieren und ich bei den Führungen nicht nur Infos über diese tollen Tiere, sondern auch über andere Themen, die mich begeistern (Natur- und Landschaftspflege, Wiedervernässung/ Renaturierung, Beweidung) einstreuen kann.

 

Eine kleine Führung bekamen auch Henning und seine Familie, als sie spontan an einem Sonntag aus Wrist zu Besuch kamen und wir nach einem gemeinsamen Frühstück und einem Grußvideo an Tommi, der leider nicht dabei sein konnte, zuerst bei den Pferden vorbeischauten und dann zumindest einen kleinen Teil der Birk entdeckten. Es war ziemlich warm, einer der wenigen richtigen Sommertage und somit ein großes Kontrastprogramm zu unserer Woche in Wrist im Januar.

 

Viel schneller als gedacht war er dann da, der große Freitag. Wir versanken in den Vorbereitungen (Backen, Kochen, Hörbuch fertig schneiden, Naturerlebnisraum mähen und alles dorthin bringen, Zelt, Tische und Bänke aufstellen und vor Freude jubeln, weil die ganzen Fotos, die ich als Überraschung bestellt habe doch noch pünktlich angekommen sind!) und eh wir uns versahen trudelten unsere ersten Gäste ein. Es wurden immer mehr und mehr und … mehr, aber das lag vermutlich auch daran, dass viele noch ihren Besuch in Form von Enkelkindern, Nichten und anderen Verwandten und Bekannten mitbrachten. Sowohl Getränke, als auch das Buffet reichten trotzdem und vor allem das Lagerfeuer mit Stockbrot war der Renner und führte zu einem regen Austausch über die perfekte Zubereitungsart – lieber kontrastreich (innen roh, außen schwarz) oder angebräunt und durchgebacken zum Preis von angekohlten Händen und eingeschlafenen Oberarmen? Ich würde übrigens immer das Erste wählen!

 

Es war so schön alle nochmal zu sehen, Zeit für lange Gespräche und intensives Lagerfeuer betrachten zu haben und  zu wissen, dass das nicht unser letzter Freitag in Falshöft ist, sondern noch eine ganze schöne volle Woche vor uns liegt!

 

Leider hatten wir in dieser Woche nicht nur mit dem Abschiedsschmerz zu kämpfen, sondern auch mit einer Erkältung, die uns beide erwischte und mich sogar für einen Tag lahmlegte.

 

Das für uns eher unspektakuläre Highlight der Woche war ein Treffen mit dem Umweltminister Schleswig-Holsteins, Tobias Goldschmidt, auf Holnis. Er wollte mit Freiwilligen über deren Tätigkeiten, Erfahrungen und Wünsche sprechen – gesagt, getan: Lisa, die Bundesfreiwillige vom NABU auf Holnis, Johanna und ich durften also stellvertretend für andere Freiwillige im Ökologischen Freiwilligendienst von unseren Bewegründen berichten, Fragen stellen und von unserer Arbeit schwärmen.

 

Zum Nachdenken brachte mich das Treffen nicht nur in Bezug auf umweltpolitische Fragen und die Vereinbarkeit von Naturschutz, Tourismus und den Interessen der Anwohner, sondern auch bezüglich meiner Entwicklung durch das FÖJ. Ich stellte nämlich fest, dass ich entgegen meiner Erwartungen, weder aufgeregt, noch besonders gespannt auf den Termin war, sondern dass sich das alles so normal anfühlte, als würden wir es ständig tun. Ich glaube, vor Beginn dieses Jahres wäre das ganz anders gewesen und ich hätte nicht annähernd so routiniert und entspannt damit umgehen können.

 

Das wirkliche Highlight war dann der Besuch von Tommi, seiner Tochter und einem großen Topf Schnüsch am Nachmittag – leider waren Birte und Emil, durch die diese Idee quasi entstanden ist nicht da, aber naja… dadurch blieb mehr für uns übrig ;)

 

Den Großteil der noch verbleibenden Arbeitszeit halfen wir dann Bunde Wischen bei den Renovierungsarbeiten an der Fanganlage, die hauptsächlich aus abreißen und neu bauen bestanden – auf viele weitere Jahre ohne Holzwürmer und mit möglichst viel Standfestigkeit…! Danach hatten wir noch einen kurzen Einsatz am Winderatter See (unseren Ersten), um einige Bohlen im dortigen Bohlenweg zu ersetzen, was Johanna und mich sehr freute, denn so lernten wir dieses NSG, von dem wir auch schon viel gehört hatten, auch noch kennen.

 

Schwupps, schon waren alle Kartons gepackt, Zimmer und Bäder geputzt, Kleintierstreu an dubiose Meerschweinhalter verkauft, Kühlschränke abgetaut und dadurch entstandene Überschwemmungen beseitigt worden. Julia kam schon am Samstag an, wir zeigten ihr kurz die Marmeladenstraße und rödelten dann weiter – danke für deine Geduld und die Mithilfe im Allgemeinen (und Spezifischen) Endspurt-Chaos!

 

Wir verewigten uns an der FÖJ-Wand, räumten den letzten Rest aus unseren Zimmern aus und als ich dann – als letzte Amtshandlung – das Kiwi-Schild, das mir Johanna zu Weihnachten geschenkt hatte von meiner Zimmertür nahm, wurde ich etwas traurig. Das Ende des FÖJ kam so viel schneller als gedacht.

 

An dieser Stelle dürfen unsere Nachfolgerinnen berichten, weitererzählen und vielleicht auch schwärmen. Für uns ist das der letzte Blogeintrag.

 

Jetzt ist es vorbei, das Jahr. Ich glaube, niemand der hier ein FÖJ gemacht hat kann sagen, sich dadurch nicht verändert zu haben. Auch wenn die Zeit an mir vorbeigerauscht ist, habe ich so viele gute Dinge mitnehmen und erleben dürfen. Ich weiß jetzt, was mir wirklich wichtig ist, was mich erfüllt und was mir nicht guttut. Ich bin selbstbewusster geworden, kann Grenzen setzen und mich selbst besser einschätzen. Ich weiß, wo meine Baustellen sind und in welchen Punkten man sich auf mich verlassen kann. Ich weiß, was ich will, auch wenn der Weg dorthin vielleicht noch im Dunklen liegt.

 

Und vor allem durfte ich so viele tolle Erfahrungen machen. Vom den morgendlichen Besprechungsrunden in Tommis Büro über die vielen Stunden bei den Koniks, tagelangem Werkeln im Os oder auf der Birk oder Tageseinsätzen zwischen Noordgaardholz, Schleimünde und der Westküste.

 

Ich werde die tosenden Lachanfälle vermissen, bei denen aus Erdbeerscheiben Smoothie wird, die Menge an absurden Situationen, die hier jeden Tag passieren (kann man sich nicht ausdenken!) und die Momente, in denen wir uns ansehen und BILDLICH vor Augen haben was der andere gerade denkt.

 

Jeder der vielen, vielen Menschen, die ich in diesen zwölf Monaten getroffen haben, hat mir etwas mitgegeben, allen voran natürlich unsere tollen Nachbarn, die immer ein offenes Ohr und eine Schüssel voll Äpfel, Renekloden (Rocktiden!) oder Tomaten für uns hatten und die Jungs, mit denen wir so viele tolle Sachen erlebt, die uns eine Menge beigebracht, erklärt und zugetraut haben und die so schnell dafür gesorgt haben, dass wir uns hier zuhause und angekommen fühlen.

 

Mein FÖJ-Fazit, nach Allem was ich von anderen FÖJis bei den Seminaren und aus Erzählungen gehört habe, ist also: Ich kann mir keine bessere Einsatzstelle vorstellen. Wenn man Spaß an körperlicher Arbeit bei jedem Wetter hat und offen ist, etwas Neues zu lernen und sich einzubringen, dann ist man hier genau richtig! Man landet in einem Netzwerk, dass einem ermöglicht, einen Einblick in die verschiedensten Aspekte des Lebens und Arbeitens rund um die Birk zu bekommen. Sei es Landwirtschaft, politische Entscheidungsprozesse, handwerkliche Tätigkeiten, Ornithologie, Bildungsarbeit, naturschutzfachliche Arbeiten oder auch einfach das Leben in der Gemeinde mit dem höchsten Altersdurchschnitt Deutschlands.

 

Was man hier erlebt, vergisst man nie mehr. Es prägt das gesamte restliche Leben. Und auch wenn es irgendwann heißt, Abschied zu nehmen: Ein Birk-FÖJler bleibt ein Birk-FÖJler. Das ist so sicher, wie es dahinten hell und darunter fest ist!